Pühühühühü

auf der Suche nach den Shetland-Orcas. Mit einer Bird-Watching-Gruppe.

Steilküsten, Vögel, Fotografen: die Shetlands in einem Bild. Foto: Oliver Dirr / Whaletrips

Walfahrt: Shetlands

»Shetland Orca Sightings«, mit einer Facebook-Gruppe ging es los. Theresa hatte sie vor einiger Zeit entdeckt, und seitdem saß sie also ständig da und berichtete, dass auf den Shetlands SCHON WIEDER Orcas gesichtet wurden: »Direkt an der Küste! Ganz nah! Ganz viele! Man kann sie sogar von Land aus sehen! Wir müssen auf die Shetlands!«

Wer auf den Shetlands Orcas begegnen möchten, wendet sich am besten gleich an Hugh Harrop. Er hat die Facebook-Gruppe gegründet, er weiß Bescheid. Mit Shetland Wildlife macht Hugh das ganze Jahr über mehrtägige Touren über die Inselgruppe, meistens geht es dabei um Vögel, die Shetlands sind ein phantastischer Ort für Vogel-Beobachter, regelmäßig werden unterwegs aber auch Orcas gesichtet.

Laut Hugh leben hier zwei Pods, A27 und A64, die meist zwischen den Shetlands, Orkneys und Faröern gesichtet werden. Fast immer von Land aus. Hugh kennt sie seit Jahren, Anfang des Jahrtausends hat er angefangen, Foto-IDs zu machen und Daten zu sammeln. Neben den Semi-Residents schauen gelegentlich auch fünf, sechs Pods aus der Island-Gruppe vorbei, außerdem gibt es noch zwei Orca-Bullen, die eigentlich allein unterwegs sind, sich kurzzeitig aber anderen Pods anschließen. Es ist also einiges los auf den Shetlands.

Die Shetlands, mit dem Handy fotografiert. Wer die Farben Grün und Blau mag, ist auf den Shetlands sehr, sehr gut aufgehoben. Foto: Oliver Dirr / Whaletrips

Da die Shetlands aus über Hundert Inseln bestehen und viele schöne Küsten haben, an denen Orcas vorbei schwimmen könnten, brauchte Hugh irgendwann Hilfe. Also bat er befreundete Fischer und Guides, doch bitte Bescheid zu geben, wenn sie irgendwo mal Orcas sähen. Er käme dann vorbei. Daraus wurde später die Facebook-Gruppe, mittlerweile engagiert sich halb Shetland in Hughs Civil Research Projekt.

»Vertraut mir«, sagt Hugh also, »sobald irgendwo ein Orca an Shetlands Küsten vorbei schwimmt, bekommen wir das mit«, und solche Sätze sind natürlich genau das, was Theresa auf Reisen gerne hört.

Auf Hughs Handy gibt es sogar einen speziellen Klingelton, der nur für die Orcas reserviert ist: der Orca-Alarm. Unsere Idee war daher, eine Woche lang immer eng an Hughs Seite zu bleiben und mit ihm auf den Orca-Alarm zu warten. In der Zwischenzeit würden wir uns ein bisschen einer seiner Bird-Watching-Gruppen anschließen und etwas über die Vögel der Shetlands lernen.

Soweit der Plan.

Ein paar junge Puffins albern am Leuchtturm von Sumburgh Head herum. Foto: Oliver Dirr / Whaletrips

Shetlands: Puffins

Auf vorherigen Reisen habe ich mich bereits sehr erfolgreich für Keas, Albatrosse und Pinguine begeistert. Außerdem sind wir schon in mehreren Ländern von wütenden Arctic Terns angegriffen worden, weil wir beim Wandern aus Versehen zu nah an ihre Nester geraten sind.

Ein solides Erst-Interesse am Thema »Vögel« ist also durchaus vorhanden. Darauf wollen wir nun aufbauen. Und die Shetlands machen einem den Einstieg leicht: Es! gibt! Puffins! Ich kenne wenig, das so sehr für gute Laune sorgt, wie Puffins.

Puffins sind kleine Seevögel, die eigentlich Papageientaucher heißen, oft aber nur »Clowns der Meere« genannt werden, weil sie eben ein bisschen auffällig gefärbt sind und die Menschen mit ihrer Unbeholfenheit zum Lachen bringen. Dabei können sie gar nichts dafür.

Puffins sind wie gemacht für die rauen Bedingungen des Ozeans, sie trotzen den heftigsten Stürmen und dem höchsten Seegang, können bis zu siebzig Meter (!) tief und knapp zwei Minuten (!) lang tauchen. Es sind zähe und unverwüstliche kleine Kerle – und unter Wasser bewegen sie sich fast so elegant wie Pinguine.

Ohne jede Vorwarnung lassen sich tapfere Puffins einfach von der Steilküste in die Tiefe fallen. Mit viel Vertrauen in die Physik.

Den größten Teil des Jahres bleiben Puffins daher einfach dort, wo sie hingehören: zuhause auf hoher See. Jedes Jahr zwischen April und Juli müssen sie allerdings an Land, um kleine Erdhöhlen in die schönsten Steilküsten des Nordatlantiks zu graben, in denen sie anschließend ihre Jungen zur Welt bringen.

Und für das Land sind Puffins einfach nicht gemacht. Wacklig und unbeholfen watscheln, hopsen und flattern sie dort herum, offensichtlich komplett aus der Übung. Unaufhörlich schleppen sie trotzdem höchst motiviert kleine Fischchen für den Nachwuchs heran, stets sauber aufgereiht in ihren riesigen bunten Schnäbeln.

Um als Vogel überhaupt in der Tiefe nach Fischen tauchen zu können, braucht es übrigens sehr schwere Knochen – die leider das Fliegen etwas kompliziert machen. Besonders den Start und ganz besonders den Start vom Wasser aus. Um ihre kleinen Körper in die Luft zu bekommen, müssen sich Puffins also extrem anstrengen:

Bis zu 400 (!) Flügelschläge pro Minute sind nötig, um Puffins in die Luft zu bekommen. Sobald sie nur ein klein wenig abgehoben sind, nehmen sie auch schon die Füße hinzu und fangen energisch an zu rennen. So arbeiten sie sich durchs Wasser, wild strampelnd und flatternd – bis es irgendwann endlich vollbracht ist.

Puffins am Sumburgh Head ganz im Süden der Shetlands. Die meiste Zeit ihres Lebens verbringen sie auf hoher See, für das Land sind sie eigentlich gar nicht gemacht, daher wirken sie dort gelegentlich etwas tollpatschig. Foto: Oliver Dirr / Whaletrips

Der Start von Land aus ist zwar einfacher, erfordert allerdings Mut: Ohne jede Vorwarnung lassen sich tapfere Puffins einfach von der Steilküste in die Tiefe fallen. Mit viel Vertrauen in die Physik.

Puffins erreichen Geschwindigkeiten von bis zu 90 km/h, sie schwirren kreuz und quer und wild durch die Luft, ein Fluglotse hätte gut zu tun. Kurz vor der Landung bremsen sie dann unvermittelt ab und schweben ruhig und elegant wie ein Helikopter ein.

Bei Sturm sehen Puffins allerdings manchmal aus wie eine Hummel, die im Wind ein bisschen die Kontrolle verloren hat.

In all ihrem Tun sind Puffins stets bemüht, möglichst souverän zu wirken und sich nichts anmerken zu lassen. Als wäre alles komplett in Ordnung und genau so, wie es sein soll. Und ich glaube, es ist diese wunderbare Mischung aus eifriger Geschäftigkeit, unbeholfenem Bemühen und vorgetäuschter Souveränität, die es so unterhaltsam macht, Puffins stunden- und tagelang zu beobachten. Es wird einfach nie langweilig.

Das gilt womöglich sogar für die Puffins selbst: Nicht alle von ihnen kommen nämlich in die Kolonie, um ihren Nachwuchs zur Welt zu bringen. Viele kommen tatsächlich vor allem deshalb, um sich anzuschauen, wie es so läuft in einer Puffin-Kolonie. Sie wollen lernen. Höchst interessiert stehen sie dann in der Gegend herum und schauen seelenruhig zu, wie sich die anderen Puffins abrackern. Phantastische Vögel!

An den Steilküsten der Shetlands gelernt: Schafe haben offenbar wirklich keinerlei Höhenangst. Foto: Oliver Dirr / Whaletrips

Shetlands: Vögel

»Da!! Ein Vogel!!«
»Oh! Wo?«
»Da vorne! Links!!«
»Was für einer?«
»Ein schwarzer!«
»...«

Ich hatte mir zu Beginn unserer Reise ein Buch gekauft: die 155 wichtigsten Vogelarten, denen man auf den Shetlands am häufigsten begegnen kann. Vorbereitung ist alles. Allerdings sind Theresa und ich in unserer Bird-Watching-Gruppe momentan noch keine Hilfe. Vogelbeobachtung ist komplizierter als Walbeobachtung.

Beim Whale Watching muss man einfach nur aufs Meer schauen, und sobald dort irgendetwas Ungewöhnliches passiert, gibt man Bescheid. Ob es sich dann um einen Wal oder eine Schildkröte handelt, findet man anschließend schon noch heraus. Interessant ist erstmal alles.

Beim Bird Watching geht das so nicht. Man kann nicht einfach beim erstbesten Vogel wild Alarm schlagen. Niemand bremst für eine Amsel. Beim Bird Watching muss man sich unbedingt auskennen, bevor man etwas in die Gruppe einbringt. Beim Whale Watching geht es auch umgekehrt.

Anfangs stand Theresa dem Thema »Bird Watching« eventuell etwas skeptisch gegenüber. Allerdings auch wirklich nur anfangs. Foto: Oliver Dirr / Whaletrips

Beim ersten Abendessen mit der Gruppe hatten wir lieber gleich reinen Tisch gemacht: Dass wir also neu in der Vogelbeobachtung sind, allerdings durchaus ambitioniert und voller Vorfreude, und dass wir uns im Laufe der Woche nun gern etwas tiefer einarbeiten wollen.

Uns gegenüber saßen Mike und Margret, und Mike hatte gesagt, dass wir uns keine Sorgen machen brauchen, er würde sich auch nur so am Rande mit Vögeln auskennen. Unterwegs war es dann allerdings so, dass Mike beinahe jeden Vogel unmittelbar bestimmen konnte, oft sogar schneller als die Guides. Manchmal reichte es ihm auch, irgendein Piepen zu hören, und schon wusste er Bescheid. Später sagte Mike, dass der Satz beim Essen wahrscheinlich normales britisches Understatement gewesen ist.

Beim Whale Watching muss man einfach nur aufs Meer schauen, und sobald dort irgendetwas Ungewöhnliches passiert, gibt man Bescheid. Beim Bird Watching geht das so nicht.

Mike empfiehlt mir eine Vogel-App, die mir im Unterschied zu meinem Buch auch unterwegs auf Wiesen, Feldern und Mooren eine Hilfe ist: In Collins Bird Guide (iOS | Android) kann man Vögel nach Ländern, Arten und Zeiten sortieren und nach allen möglichen optischen Merkmalen suchen, die einem unterwegs aufgefallen sind. Außerdem kann man Sounds und Videos herunterladen, damit man weiß, wie sich die Vögel anhören und verhalten.

Mike sagt, dass er sich vor einer Reise meist eine Liste mit allen Vögeln zusammenstellt, die er vor Ort sehen will. Und damit bereitet er sich dann vor. Ich lade mir also Collins Bird Guide herunter und bereite mich vor.

Ein Whimbrel. Er sieht fast genauso aus wie ein Curlew – ist aber viel, viel interessanter. Foto: Oliver Dirr / Whaletrips

Shetlands: Whimbrel

In meiner Vogel-App ist mir ein Vogel mit langem, lustig gebogenem Schnabel aufgefallen. Es gibt ihn sogar in mehreren Varianten, der eine heißt Whimbrel, der andere Curlew, ich setze beide auf meine Liste, präge mir ihr Aussehen ein und halte Ausschau.

Irgendwann sehe ich im Vorbeifahren einen Vogel, der ganz genau so aussieht, wie die Whimbrels und Curlews in meiner App. Er läuft da einfach so herum. Direkt neben dem Auto. Und noch niemand außer mir hat ihn gesehen. Ich bin aufgeregt. Und gebe Bescheid.

»Da!! Ist das nicht ein Whimbrel oder Curlew?«
»Oh! Wo?«
»Da vorne! Links!!«
»Ach da. … Ja. … Hmm.«
»Was?!«
»Nichts. Das ist nur ein Curlew.«

Wir fahren weiter.
Am Curlew vorbei.
Ohne Foto. Einfach so.

Mike erklärt, dass es sehr viele Curlews in Großbritannien gibt: »Die sind nichts Besonderes, die kann man hier überall sehen. Whimbrel dagegen sind sehr selten, zumindest hier. Wenn du einen Whimbrel siehst, sag sofort Bescheid!«

Es ist beim Curlew und beim Whimbrel so, dass sie komplett gleich ausschauen. Ein bisschen wie ein schüchternes Hühnchen auf Stelzen.

Es ist beim Curlew und beim Whimbrel so, dass sie komplett gleich ausschauen. Ein bisschen wie ein schüchternes Hühnchen auf Stelzen, nur mit lustig gebogenem Schnabel. Der Curlew ist etwas größer und hat einen längeren Schnabel, aber das bringt einen natürlich nur weiter, wenn der Curlew und der Whimbrel direkt nebeneinander stehen.

Mike sagt, dass der beste Weg, einen Whimbrel von einem Curlew zu unterscheiden, der kleine schwarze Streifen über dem Auge ist. Den hat nämlich nur der Whimbrel. Ansonsten seien sie vom Aussehen und Verhalten her tatsächlich ziemlich gleich. Ich konzentriere mich ab jetzt also auf Curlews mit schwarzen Streifen über dem Auge.

Unser Guide Tim. Immer, wenn er das große Objektiv aus dem Kofferraum gewuchtet hat, konnte man sicher sein, dass hier nun gerade etwas ganz besonders Tolles zu sehen ist. Foto: Oliver Dirr / Whaletrips

Irgendwann hat unser Guide Tim tatsächlich einen Whimbrel ausgemacht. Er läuft allerdings gerade 300 bis 400 Meter entfernt im Moor herum. Momentan steht er in der Nähe eines Weidezauns, wahrscheinlich zwischen dem dritten und vierten Pfosten von links, man ist sich nicht ganz einig und holt daher jetzt das große Teleskop aus dem Auto.

Tim richtet das Teleskop aus, dann stellen sich alle der Reihe nach an und betrachten den Whimbrel durch das Teleskop. Alle sind begeistert. Die Guides reichen Kaffee und Kekse. Ich überlege, ob ein Curlew direkt neben dem Auto nicht viel besser ist als ein Whimbrel zwischen dem dritten und vierten Pfosten eines Weidezauns in 300 bis 400 Metern Entfernung.

Ich bin mir allerdings nicht ganz sicher und schaue lieber noch mal durch das Teleskop.

Ein Red Necked Phalarope. Mit seinem Red Neck auch für Bird-Watching-Anfänger leicht zu erkennen. Foto: Oliver Dirr / Whaletrips

Shetlands: Phalaropes

Was für uns die Orcas sind, ist für die anderen in der Gruppe der Red Necked Phalarope. Jeder hier hat ihn auf der Liste. Der große Vorteil gegenüber dem Whimbrel: Red Necked Phalaropes sind kaum zu verwechseln.

Auf deutsch heißt der Red Necked Phalarope »Odinshühnchen«, und bei dieser Gelegenheit möchte ich kurz erwähnen, dass die englischen Vogelnamen wirklich um Welten besser sind als die deutschen.

Wir haben während unserer Woche auf den Shetlands zum Beispiel Razorbills, Guillemots, Gannets, Arctic Skuas, Kittiwakes, Shags, Red Throated Diver und Whimbrel gesehen. Namen wie Musik. Auf deutsch heißen diese Vögel allerdings (in derselben Reihenfolge): Tordalk, Trottellumme, Basstölpel, Schmarotzerraubmöwe, Dreizehenmöwe, Krähenscharbe, Sterntaucher und Brachvogel.

Ich würde es außerdem als mindestens unglücklich bezeichnen, wenn eine »Guillemot« auf deutsch »Trottellumme« heißt, eine »Black Guillemot« allerdings nicht »Schwarze Trottellumme« sondern stattdessen lieber: »Gryllteiste«. Es braucht sich so zumindest niemand wundern, dass Bird Watching in Großbritannien Volkssport ist und in Deutschland nicht.

Die englischen Vogelnamen sind um Welten besser als die deutschen. Es braucht sich wirklich niemand wundern, dass Bird Watching in Großbritannien Volkssport ist und bei uns nicht.

Die Faszination des Red Necked Phalaropes ist mir nicht auf Anhieb klar. Er ist weder besonders prächtig, zumindest sind mir in meiner Vogel-App einige deutlich aufregendere Vögel aufgefallen, die ich natürlich sofort auf meine Liste gesetzte habe, noch ist er besonders selten, zumindest wenn man es mal global betrachtet.

In Großbritannien allerdings ist der Red Necked Phalarope höchst selten, und die Shetlands sind die mit Abstand beste britische Adresse, um ihn zu sehen: Jedes Jahr brütet er hier zwischen Ende Mai und Mitte Juli, und viele aus unserer Gruppe sind genau deshalb genau jetzt genau hier.

Der Red Necked Phalarope gehört zur Familie der Watvögel und watet daher gern am Ufer kleiner Tümpel und Teiche herum, um dort nach winzigen Insekten und Larven zu suchen. Wir verbringen also viel Zeit in der Nähe von einschlägig bekannten Tümpeln und Teichen und halten leise und geduldig Ausschau. Und wir haben Glück. Sehr viel Glück.

Auf deutsch heißt der Red Necked Phalarope »Odinshühnchen«. Dieser Name ist ein Skandal. Und er macht auch überhaupt keinen Sinn – denn welches Hühnchen kann denn bitte so schön fliegen? Eben! Foto: Oliver Dirr / Whaletrips

Wir sind dem Red Necked Phalarope gleich am ersten Tag begegnet. Und am dritten. Und am vierten. Und am fünften. Wir haben Red Necked Phalaropes allein gesehen, zu zweit, zu dritt, zu viert, am Teich, am Ufer, in der Luft, und einmal sogar im Meer, wo sie manchmal ein bisschen mit der Brandung zu kämpfen hatten.

Und auch wenn mir die Faszination für den Red Necked Phalarope noch immer nicht ganz klar ist, ist es doch sehr leicht, die große Begeisterung der anderen zu teilen: Alle sind selig und ausgelassen. Sowas steckt an.

Als wir auch am sechsten Tag noch einmal einen Red Necked Phalarope sehen und es ein bisschen regnet, bleibe ich jedoch lieber im Auto und schaue, ob es etwas Neues in der Shetland-Orca-Sightings-Gruppe gibt.

Ein Otter auf dem Weg in seine Höhle. Bei der Otter-Beobachtung ist es meist so, dass man erst sehr lange warten muss, um dann sehr kurz einen Otter zu sehen. Foto: Oliver Dirr / Whaletrips

Shetlands: Otter

Neben Orcas und Puffins hatte ich mir für die Shetlands vor allem Otter vorgenommen. Die Shetlands sind ein phantastischer Ort, um sich Otter vorzunehmen.

Man schätzt, dass hier zwischen 800 und 1.200 Otter leben, ungefähr also einer bis zwei pro Qudratmeile, das ist die höchste Otter-Dichte in ganz Großbritannien. Allerdings sind Otter extrem scheu, man braucht trotzdem immer noch einiges Glück. Um in freier Wildbahn Otter zu sehen, haben sich zwei Methoden besonders bewährt:

#1 Man verbringt viel Zeit in der Nähe von Flussmündungen und Fjorden und hat einfach Glück, dass irgendwo zufällig ein Otter vorbei schwimmt. Haben wir gemacht, hat funktioniert, zweimal. Allerdings waren die Otter stets weit entfernt und haben keinerlei Anstalten gemacht, näher zu uns ans Ufer zu kommen. Verständlich.

Weltidee: Trail Cams! Man baut sie einfach vor einer Otter-Höhle auf, holt sie eine Woche später ab und schaut sich bei einer Tasse Tee an, was so los war vor der Otter-Höhle.

#2 Man versteckt sich in der Nähe eines Otter-Habitats und wartet einfach ab. Otter sind Gewohnheits-Tiere, sie machen gerne immer alles gleich. Hierbei ist es jedoch hilfreich, ein aktiv genutztes Otter-Habitat anhand einschlägiger Merkmale (Otter-Höhle, Otter-Kot, Otter-Wege) auch als solches zu erkennen. Andernfalls wartet man doch unnötig lange und mit nur sehr geringen Erfolgsaussichten.

Unser Guide Kate zeigt uns noch eine dritte gute Möglichkeit, Otter zu beobachten: Trail Cams – kleine, wetterfeste Kameras mit Bewegungssensor. Man baut sie einfach vor einer Otter-Höhle auf, holt sie eine Woche später wieder ab und schaut sich dann bei einer Tasse Tee in Ruhe an, was so los war vor der Otter-Höhle.

Eine von Kates Trail-Cam-Aufnahmen: Ein Otter reibt sich auf dem Weg in seine Höhle erstmal ein bisschen trocken. Ohne versteckte Kamera müsste man für solche Bilder sehr, sehr, sehr lange warten.

Eher zufällig kombinieren wir mit großem Erfolg die Methoden #2 und #3: Als wir eine von Kate aufgestellte Trail Cam abholen und uns dabei zumindest testweise ein bisschen verstecken, taucht tatsächlich nach wenigen Minuten ein Otter auf, der zu seiner Höhle will.

Da wir allerdings nicht allzu gut versteckt sind, bemerkt er uns schon nach wenigen Sekunden. Später schauen wir uns die Aufnahmen der Trail Cams an. Ich werde bei der Firma, die diese Kameras herstellt, demnächst mal anregen, so etwas bitte auch für Wale zu bauen.

Gannets in der Gannet-Kolonie von Hermaness. Das Wohnen auf so engem Raum muss man natürlich mögen. Foto: Oliver Dirr / Whaletrips

Shetlands: Seevögel

Unsere Tour führt uns einmal quer über die Inselgruppe. Alles ist grün und weit und saftig. Und ruhig, wahnsinnig ruhig. Bis wir zu den großen Seevogel-Kolonien fahren.

Während die Puffin-Kolonie am Sumburgh Head ein wahres Idyll ist, herrscht in den großen Kolonien von Hermaness und Noss das pure Chaos. Hier leben Gannets, Guillemots und Razorbills – es sind Tausende und Abertausende von Vögeln.

Sie sind vor uns, hinter uns, neben uns, unter uns, über uns. Alles krächzt und schreit, es ist ein Höllenlärm, besonders wenn man mit dem Boot so dicht an den Felsen entlang fährt. Ich bin komplett überfordert. Viel zu viele Eindrücke. Es fällt mir schwer, sie halbwegs geordnet aufzunehmen und zu sortieren. Ein unwirklicher Ort.

Mit dem Boot geraten wir in einen Schwarm Gannets. Gannets, die auf Fisch aus sind. Es ist ein wahnsinniges Spektakel.

Vor Noss geraten wir mit dem Boot in einen Schwarm Gannets. Gannets, die auf Fisch aus sind. Es ist ein Spektakel, wie ich es noch nie erlebt habe. Ich hatte vorher bereits gelesen, dass Gannets Stoßtaucher sind – ich wusste aber nicht genau, was das in der Praxis bedeutet.

Während Puffins und Guillemots ruhig und friedlich auf dem Wasser herum paddeln, um dann sanft abzutauchen und geduldig nach Sandaalen zu suchen, schießen Gannets aus großer Höhe mit wilder Entschlossenheit und bis zu 100 (!) km/h wie ein Torpedo ins Wasser.

Über uns schwirren Hunderte von ihnen herum. Hunderte Gannets, die der Reihe nach mit 100 km/h ins Wasser schießen. Direkt neben unserem Boot. Wie Blitze jagen sie durch die Luft. Ein irres Pfeifen und Zischen. Im Wasser liefern sie sich wilde Kämpfe um den erbeuteten Fisch.

Im Vergleich zu einem Schwarm jagender Gannets ist eine Gannet-Kolonie ein beschaulicher und übersichtlicher Ort.

Spektakulär: Gannets auf der Jagd nach Fisch. Es ist ein ziemliches Hauen und Stechen, von Kooperation halten diese Vögel offensichtlich eher weniger. Foto: Oliver Dirr / Whaletrips

Etwas später begegnen wir einer Gruppe White Beaked Dolphins. Es ist eine Premiere, Theresa und ich haben sie noch nie zuvor gesehen. Es sind große, schwere und elegante Tiere. Mit ihrer schwarz-weißen Färbung und der stark geschwungenen Rückenfinne sehen sie sogar fast ein bisschen aus wie Orcas.

Sie schwimmen neben dem Boot her, unter uns hindurch, springen mehrere Male. Dann wird es ihnen langweilig. Sie sind so schnell verschwunden, wie sie gekommen sind. Es ist das erste Mal, dass ich von einer Begegnung mit ein paar Seevögeln stärker beeindruckt bin, als von einer Begegnung mit ein paar Walen oder Delfinen.

Und es liegt wirklich nicht an den Delfinen!

Guillemots, die Pinguine der Nordhalbkugel. Auf deutsch heißen sie »Trottellummen«. Es ist ein Skandal. Foto: Oliver Dirr / Whaletrips

Shetlands: Keine Orcas

Hugh hatte zu Beginn unserer Reise versprochen, dass wir es auf jeden Fall mitbekommen würden, sobald irgendwo auf den Shetlands Orcas gesichtet werden. Und Hugh hat Recht behalten.

Allerdings hat Hughs Orca-Alarm ausgerechnet an einem Tag geklingelt, an dem wir gerade ganz im Norden der Insel waren, während die Orcas ganz im Süden am Leuchtturm von Sumburgh Head gesichtet wurden: mehrere Stunden Fahrt, zwei Fähren inklusive – keine Chance.

Theresa am Nebelhorn des Leuchtturms von Sumburgh Head. Nur ein paar Tage nach diesem Foto hätte man von hier tatsächlich die allerbeste Sicht auf ein paar vorbei schwimmende Orcas gehabt. Timing ist alles. Foto: Oliver Dirr / Whaletrips

Wir haben auf den Shetlands gelernt, dass man nicht nur die richtigen Guides an der Seite und ein bisschen Glück braucht, dass irgendwo mal Orcas auftauchen. Man braucht auf den Shetlands auch das zusätzliche Glück, dass sie halbwegs in Reichweite sind. Vielleicht braucht man auf den Shetlands vor allem aber auch: mehr Zeit.

Ich schlage Theresa also vor, im nächsten Sommer einfach nochmal auf die Shetlands zu fahren. Dann vielleicht lieber für vier oder sechs Wochen. Schließlich habe ich auch noch einige Vögel auf der Liste.

Theresa ist einverstanden.

***

P.S.: Wer ebenfalls einmal eine Woche mit Hugh, Tim oder Kate verbringen will, um sich die Vögel der Shetlands anzuschauen und nebenbei ein bisschen auf den Orca-Alarm zu warten, kann das hier tun. Wir hatten wahnsinnig viel Spaß und selten so großartige, engagierte und lustige Guides. Danke!

P.P.S.: Die Überschrift »Pühühühühühühü« ist der schöne Ruf des Whimbrels. Curlews dagegen rufen »Cur-lew, Cur-lew, Cur-lew«, daher auch ihr Name. Vielen Dank an Mike für die vielen zusätzlichen Erklärungen unterwegs!

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